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KREIS GIESSEN

Unabhängige Hilfe

Stellen Sie sich vor, Sie sind psychisch krank und in Behandlung, haben aber ein Problem mit der Art der Therapie. Bei wem sprechen Sie das an? Ihrem Arzt, dem Leiter der Einrichtung, in der Sie vielleicht untergebracht sind? Ab sofort gibt es im Landkreis Gießen für solche und andere Schwierigkeiten im Bereich Psychiatrie eine unabhängige Beschwerdestelle. Wer dahinter steht, wie sie funktioniert und an wen sich das Angebot richtet, das war gestern Thema einer Pressekonferenz im Kreishaus.

Hinter der neuen Anlaufstelle steht eine neunköpfige Gruppe, die sich aus Psychiatrie-Erfahrenen, Angehörigen sowie Fachkräften der psychiatrischen Versorgung zusammensetzt. An sie können sich ab sofort Menschen wenden, die im Landkreis Schwierigkeiten mit Ärzten, Therapeuten, Kliniken, Wohnheimen, Tagesstätten, Beratungsstellen, Pflegediensten, gesetzlicher Betreuung oder anderen Dingen haben. Die Mitglieder nehmen die Beschwerden entgegen, gehen ihnen nach und wirken auf eine Klärung hin.

Allerdings nicht im Rahmen einer Sprechstunde. »Das ist für uns erst die nächste Stufe«, sagt Marco Auernigg, Psychiatriekoordinator beim Landkreis Gießen und Mitglied des Teams. Wer sich beschweren will, kann dies telefonisch oder schriftlich (per E-Mail oder Brief) tun. Die Informationen werden zunächst gesammelt, Entscheidungen zum weiteren Vorgehen im großen Plenum gefällt, das einmal im Monat tagt.

Seit vielen Jahren gibt es laut Gesundheitsdezernent Hans-Peter Stock die Forderung von Betroffenen, eine unabhängige Beschwerdestelle zu schaffen, nicht angedockt an eine Klinik oder andere Einrichtung. Jetzt hat der Landkreis den Anstoß dazu gegeben. Er ist allerdings nicht Träger, sondern stellt lediglich die Infrastruktur – Büro, Telefon, etc. – zur Verfügung. Aufgegriffen wurde das Thema bei der Behörde vor rund 18 Monaten in der AG Psychiatrie, einer Fachgruppe im Beirat von Menschen mit Behinderung. Hier wurde die Vorarbeit geleistet, das Angebot konzipiert und mit viel Kompetenz ausgestattet.

Ziel ist es allerdings nicht nur, Menschen mit Problemen im Bereich Psychiatrie zu helfen. »Wir haben auch den Anspruch, Strukturen zu verbessern«, sagt Auernigg. Soll heißen: Anhand der Informationen über mögliche Missstände will man auf bestehende Mängel hinweisen, Verbesserungsvorschläge machen und Veränderungen erreichen. Wert legt die Gruppe darauf, dass sie die Anliegen der Beschwerdeführer streng vertraulich, neutral und unabhängig bearbeitet, außerdem kostenfrei und möglichst schnell. »Was wir nicht tun? Wir bearbeiten keine anonymen Beschwerden, wir bieten keine Rechtsberatung, wir fällen keine Urteile«, sagt Auernigg.

Woher kommt ihre Motivation? Beschwerden landen häufig nicht dort, wo sie hingehören, sondern bei Dritten, sagt Horst Mathiowetz vom Förderverein für seelische Gesundheit. Deshalb muss es in seinen Augen »einen Ort geben, der unabhängig ist«. Das bestätigen andere Mitglieder der Gruppe. Viele Menschen hätten Hemmungen, Schwierigkeiten zu thematisieren, trauten sich häufig nicht, gegenüber Ärzten darüber zu sprechen, was ihnen missfällt, weiß Elisabeth Weißler-Mahlke von der Angehörigengruppe Mittelhessen. Den Grund dafür nennt der Psychiatrie-Erfahrene Manfred Haas: eine »enorme Hemmschwelle« bei Betroffenen.

Welcher Arbeitsumfang auf die Gruppe, die übrigens ehrenamtlich agiert, zukommen wird, wissen die Mitglieder nicht. Interessierte, die ein ernst gemeintes Interesse an der Mitarbeit haben, sind willkommen.

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